Neue Lehrer braucht das Land
Neue Lehrer braucht das Land
Rund 40 Prozent der deutschen Pädagogen gehen in den nächsten zehn Jahren in Pension. Um die Lücken zu füllen, werben einige Kultusministerien bereits mit Flugblättern
Der erste Schultag nach den Sommerferien verlief für Izla und Yvonne diese Woche erfreulich entspannt. Anstatt sich mit Mathematikaufgaben zu quälen, bummelten die beiden Berliner Gymnasiastinnen durch das Einkaufszentrum am S-Bahnhof Gesundbrunnen. "Es gab Probleme bei der Lehrerverteilung", berichteten die Mädchen der Lokalzeitung "BZ". "Deshalb durften wir um 10 Uhr wieder gehen."
Vielen der 313 000 Berliner Schüler erging es ähnlich. An manchen Schulen wurden wegen Lehrermangels sogar nur neue Stundenpläne ausgegeben und gar nicht unterrichtet. Mindestens 200 Lehrer müssten sofort eingestellt werden, um die Schulen zu hundert Prozent auszustatten, monierte die Vereinigung der Berliner Schulleiter. Und die Bildungsexpertin der Berliner FDP, Mieke Senftleben, sprach gar vom Scheitern der rot-roten Bildungspolitik "am ersten Tag"
Eine Art politische Reflexzonenmassage. Schließlich dient das Wort Lehrermangel regelmäßig den Oppositionsparteien jeder Couleur dazu, das Versagen der jeweiligen Landesregierung zu beschwören. Der Lehrermangel ist nicht nur in Berlin, sondern bundesweit ein strukturelles Problem. Allein in den nächsten zehn Jahren werden 40 Prozent der Pädagogen in den Ruhestand gehen, rund 320 000 Planstellen werden dadurch frei. Längst nicht alle werden besetzt, fürchten Bildungsexperten.
"Damit wenigstens der Hauch einer Bestenauslese gewahrt bleibt und nicht jeder noch so schlechte Bewerber eingestellt werden muss, brauchen wir in den nächsten Jahren 320 000 bis 350 000 Studenten und Lehramtsbewerber", sagt der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus. Mit einem solchen Andrang sei jedoch auch bei optimistischen Schätzungen nicht zu rechnen.
Ein Problem, das zu vermeiden gewesen wäre. "Die Politik muss sich Versäumnisse vorhalten lassen", sagt Kraus. Schließlich hänge der Lehrerbedarf nicht von der Konjunktur ab und sei ohne Schwierigkeiten für jeweils zehn Jahre im Voraus zu berechnen. Die Bezugsgrößen seien bekannt: die Zahl der Schüler, die Altersstruktur der Lehrer und die politischen Vorgaben bezüglich Klassenstärken und Stundenzahlen.
Damit sich mehr Abiturienten als bisher für ein Lehramtsstudium entscheiden, müsse der Beruf wieder attraktiver gemacht werden, schlägt Kraus vor. Das fange mit den Gehältern der Referendare an, die zurzeit lediglich bei rund 900 Euro im Monat liegen und deutlich angehoben werden müssten.
"Wir können uns jedoch nicht darauf beschränken, auf eine neue Lehrergeneration zu warten", befürchtet Kraus. Gerade in den nächsten vier Jahren würden nämlich besonders viele Lehrer pensioniert. Deshalb müsse man über unkonventionelle Maßnahmen nachdenken. Zum Beispiel könnten manche Pensionäre auf Stundenbasis weiter beschäftigt werden und mehr Seiteneinsteiger eingestellt werden, vor allem Naturwissenschaftler.
Die Kultusministerien beginnen bereits mit gezielten Werbeaktionen. "Gute Lehrer braucht das Land" ist der Titel eines Flugblatts des niedersächsischen Kultusministeriums, mit dem Lehramtsstudenten geworben werden sollen. "Wir verteilen den Flyer in den Abschlussklassen der Oberschulen", sagt der Sprecher des Ministeriums, Georg Weßling.
Quelle: Artikel erschienen am 27. August 2006 in „Welt am Sonntag“.
2 Comments:
Das Land braucht mehr Lehrer?
Darüber kann man noch lange diskutieren.... ich verzweifle daran...
Das Land braucht .... Lehrer?
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